Supercharger

Nachdem Atari seine Entwicklungen an einem PC-Emulator beendet hatte, dauerte es bis zum September 1987, bis die Firma Beta Systems AG eine aufsehenerregende Erweiterung für den Atari ST vorstellte. Allerdings wurde das Kästchen nicht wie angekündigt ab Oktober 1987 ausgeliefert und selbst im Jahre 1988 war von dem Supercharger noch nichts zu sehen. So sah sich das ST-Magazin im August 1988 genötigt, den Gerüchten um das „betrügerische“ Projekt Supercharger nachzugehen. Letztlich waren wohl Design- und Fertigungsprobleme für den Customchip des Superchargers für die lange Lieferverzögerung verantwortlich, denn im Herbst 1989 – mehr als zwei Jahre nach der Präsentation des Prototypen – ging der Beta Systems Supercharger endlich in den Verkauf. Der erste PC-Emulator für den Atari ST war er damit nicht mehr, dazu aber später mehr.

Wenn man es genau nimmt, handelte es sich um einen Mini-PC, der per DMA-Anschluss mit dem ST/Mega ST oder gar dem TT bzw. Falcon verbunden wurde. Seine Ausstattung war für damalige Verhältnisse durchaus akzeptabel. Eine 8086-kompatible NEC V30 CPU, die mit 8 MHz getaktet wurde, dazu 512 kB oder gar 1 MB eigener Arbeitsspeicher (davon entweder 384 kB oder 704 kB unter MS-DOS nutzbar) und die Möglichkeit, MGA- oder CGA-Bildschirmmodi dazustellen. Da der DMA-Anschluss durchgeschliffen wurde, war es natürlich auch möglich, Festplatten wie das Atari Megadrive am ST/Mega ST und somit auch mit dem PC-Emulator zu nutzen. Eine Soundemulation war nicht vorgesehen, aber Atari-Druckern konnten verwendet werden. Darüber hinaus war es auch möglich, einen mathematischen Co-Prozessor, eine 8087-FPU einzubauen, um der Fließkommageschwindigkeit des Emulators auf die Sprünge zu helfen. Nach der grundlegenden Konfiguration des Emulators, d. h. welche Diskettenlaufwerke oder Festplattenpartitionen des Atari sollen verwendet werden, ließ sich der Supercharger mit dem kleinen Programm ABIO.TOS auf Atari-Seite in Betrieb nehmen.

Im Lieferumfang war MS-DOS 4.01 enthalten, so konnte man gleich nach der Installation der grundlegenden Software erste Schritte in der DOS-Welt machen. Neben dem mitgelieferten Betriebssystem war es auch möglich, ältere MS-DOS-Versionen oder gar Windows bis Windows 286 oder 3.0 zu installieren, mit Microsoft Word und vielen anderen Programmen aus der IBM-kompatiblen Welt zu arbeiten oder auch zu spielen. Da ja eine FPU nachrüstbar war, stand sogar AutoCAD mit FPU-Anbindung zur Verfügung. Somit stellte der Supercharger einen recht schnellen XT zur Verfügung, der Norton-SI-Faktor lag bei 4.0!

Allerdings bot der Supercharger auch ein paar Besonderheiten, die ihn von den anderen PC-Emulatoren durchaus unterschieden. Wie bereits erwähnt, handelte es sich quasi um einen kleinen nahezu vollständigen PC mit bis zu 1 MB RAM. Diesen Speicher konnte man z. B. von der Atari-Seite aus als gepufferte RAM-Disk nutzen und umgekehrt konnte es der PC-Teil mit dem RAM des Ataris genauso handhaben. Auch die FPU des Supercharger ließ sich durch entsprechende Routinen im ST/Mega ST nutzen, wenngleich solche Programme erstmal selbst geschrieben werden mussten. Für solche, zugegebener Maßen sehr speziellen Anwendungen, ließen sich sogar mehrere Supercharger am Atari einrichten. Die Unterscheidung erfolgte durch die ID des DMA-Gerätes. Am Ende der Aufzählung der Besonderheiten des Superchargers der wohl praktischste Unterschied zu den anderen Anbietern: das problemlose Umschalten zwischen dem Atarisystem und dem PC. Stellte man z. B. beim Tippen in Microsoft Word fest, dass man bereits ein ähnliches Dokument am Atari erstellt hatte, so wechselte man mit <Alt>-<Ctrl>-<Backspace> zum Atari. Man öffnete die gewünschte Datei z. B. mit Signum auf dem ST und speicherte sie in einem übertragbaren Format wie ASCII-Text. Anschließend wechselte man zurück zum PC, der genau an der Stelle, wo man ihn verlassen hatte, auf weitere Eingaben wartete. Dann konnte man den zuvor gespeicherten Text von einer Atari-Partition laden und aktualisieren bzw. weiter bearbeiten. Dieses Umschalten ging sogar so weit, dass man den Atari neu starten konnte und der Supercharger immer noch an derselben Stelle wie bei der letzten Bearbeitung auf den Nutzer wartete.

Leider wurden von den angekündigten Erweiterungen wie eine 80286- oder 80386SX-CPU-Karte und die Möglichkeit zur Verwendung von ISA-Steckkarten keine einzige realisiert bzw. zur Serienreife entwickelt.